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Auf ihr Kommando hört die ganze Kavallerie

Südkurier (Gerhard Hauser) |

Die 50-jährige Villingerin steht an der Spitze der Reiter in der Historischen Bürgerwehr. Ihr Antrieb: Sie liebt Pferde und ihre Heimat. Beides kann sie auf besondere Weise in dem Verein verwirklichen.

VS-Villingen – Die Kommandos sind militärisch knapp: „Kavallerie aufgesessen“, „Kavallerie Halt“ oder „Kavallerie in den Abmärschen bereit“. Diese Befehle wurden bisher von Männern gegeben, in Villingen ändert sich das gerade. Martina Spendel ist Rittmeisterin der Kavallerie und steht somit an der Spitze der Abteilung.

Dass sie gewählt wurde, ist ihrem außerordentlichen Engagement für die Bürgerwehr zu verdanken. Damit ist sie die erste Frau in dieser Position „in Baden- Württemberg und Bayern“, sagt der Villinger Hans-Joachim „Hajo“ Böhm, Landeskommandant der Bürgerwehren und Milizen in Südbaden und Hessen.

Warum die 50-Jährige Martina Spendel sich so stark in der Villinger Bürgerwehr engagiert, kann sie in einem Satz erklären: Sie liebt ihre „Hoamet“, die Heimatstadt, und ihre zwei Pferde. Dabei steht zeitlich das „Pferdevirus“ von dem sie befallen sei, an erster Stelle. Bereits als Vierjährige stand sie im Stall, um den Schimmel „Ebro“ des Villingers Xaver Baumann zu bestaunen. Und dieser Baumann war Rittmeister bei der Bürgerwehr.

So war der Weg vorgezeichnet, auch wenn sie noch lange nicht für die Bürgerwehr reiten durfte. Das wandelt sich erst vier Jahrzehnte später, genauer gesagt im Jahr 2013, ein für die jüngere Geschichte der Bürgerwehr wichtiges Datum. Frauen waren inzwischen als Hilfe und Begleitung akzeptiert, in Uniform für die Bürgerwehr antreten durften sie nicht.

Doch auch die Bürgerwehr litt zunehmend unter Nachwuchssorgen. Hajo Böhm, damals noch Kommandant, und Ernst Maier tasteten beim Landeskommandanten vor und erhielten grünes Licht: Wenn Not am Mann sei, durften die Frauen einspringen, berichtet Böhm.

Zum großen Zapfenstreich, ein Gedenken an die Völkerschlacht, die sich 2013 zum 200. Mal jährte, fuhren „Barbara Mutschler, Anja Schwer und ich mit“, erinnert sich Martina Spendel, offiziell als Begleitung, doch die Uniform war schon im Koffer, in Leipzig ritten sie dann mit, „ein Wahnsinnserlebnis“, findet Spendel noch heute.

Seitdem gehören Frauen zum Bild der Villinger Kavallerie, und diese Entwicklung wird sich auch in anderen Wehren fortsetzen, ausgenommen sind vorerst die Gewehrträger. Selbst beim bekannten Blutritt in Weingarten, bei dem Reiterinnen bisher nicht dabei waren, sollen ab 2022 zugelassen werden.

Die Krieger zu Pferde waren früher gefürchtet, doch das Militärische steht nicht im Vordergrund. Die Bürgerwehr sei ohnehin immer schon Bürgerwache gewesen, zur Stadtverteidigung aufgestellt, genutzt auch als Brandwache und Ordnungsdienst, nicht aber als Militärtruppe im Sinne einer angreifenden Armee.

Aus dieser Tradition heraus sei man auch nie dabei, wenn Schlachten nachgestellt würden, betont Böhm. Auch in Leipzig sei dies nicht der Fall gewesen, dort reiste man wegen des Zapfenstreichs an. Dennoch: Befehle sind auch bei einer Bürgerwehr notwendig.

Die fünfte Jahreszeit liegt Martina Spendel besonders am Herzen, „sie ist mein Lebenselixier“. Es gebe kaum etwas Schöneres, als am Fasnetmentig, wenn es dämmert, die Pferde bereitzumachen. Auch dies gehört für die Villinger Kavalleristen dazu: früh aufstehen, denn ihre Ställe liegen in Schwenningen, Bad Dürrheim, bei Spaichingen, aber nicht mehr in Villingen. Manchmal müssen die Zugänge auch erst frei geschippt werden. Doch wenn die Narros dann Aufstellung nehmen, alle parat sind, die Pferde neugierig schnauben, die ersten Takte des Narromarsches angestimmt werden, dann bekommt Martina Spendel Gänsehaut.

Nur in Villingen ist die Kavallerie Teil der Fastnacht, was an der ursprünglich engen Verzahnung von Narrozunft und Bürgerwehr liegt, daher wird auch hier immer wieder über die Sicherheit, wenn Pferde, Umzugsteilnehmer und Besucher aufeinandertreffen, diskutiert. Dagegen will Spendel gar nichts einwenden, was sie wirklich ärgert, ist, dass die Kavallerie immer wieder als Wald-, Wiesen- oder gar Sonntagsreiter abgewertet werden, die ihre Tiere nur zur fünften Jahreszeit aus den Ställen holen würden und sie daher kaum im Griff hätten. „Das stimmt einfach nicht“, sagt die leidenschaftliche Reiterin. „Wir haben die Reiterpässe, wir sind erfahren und wir trainieren viel.“

Die Pferde, wie ihre eigenen, der Saarländer „Joe“ und der polnische Trakehner „Mentor“, seien Trubel gewöhnt. Oft werden sie auf Turnieren bei Dressur-, Spring- oder Geländewettbewerben geritten. Die Tiere werden im Vorfeld Reizen ausgesetzt, Fahnen, Geräuschen, damit sie bei den Umzügen nicht schrecken. Letztlich sei noch nie etwas passiert, nicht an der Villinger Fastnacht, aber auch nicht bei den vielen Veranstaltungen, zu denen die Kavallerie geladen werde, und wo es immer etwas Besonderes sei, wenn „die Blauen“, die Villinger Reiterinnen und Reiter, kommen.

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