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„Was wird jetzt noch alles verboten?“, fragt sich VS-Kabarettist Thomas Moser.

„Ihr Burger, stond ins Gwehr!“

Neckarquelle |

Brauchtum: VS-Kabarettist Thomas Moser lästert heftig über das Bürgeramt der Stadt, nachdem dessen Chef Ralf Glück und seine Leute die Villinger Bürgerwehr per Dekret entwaffnet haben. Von Ralf Trautwein

Was ist Brauchtum? – Diese Frage stellen sich augenblicklich viele in Villingen-Schwenningen. Der Grund: Das Bürgeramt hat die Villinger Bürgerwehr „entwaffnet“, bevor diese im Zuge der Oberbürgermeisterwahl auf dem Münsterplatz antreten und das designierte Stadtoberhaupt ehren konnte. Dies wollten die Historischen, wie berichtet, mit ihren Büchsen tun, wie es schon seit Jahrhunderten der Brauch ist. Doch die mussten mit Verweis aufs Waffengesetz, obwohl ungeladen, zu hause bleiben.

Tatsächlich haben die „Historischen“ eine lange Tradition. Sie wurden bereits 1810 als Ordnungs- und Repräsentationsgruppe gegründet. Das war zu Zeiten der „Koalitions-“ oder „Befreiungskriege, als in ganz Europa gekämpft wurde.

Kampf gegen Napoleon
Der Franzosenkaiser Napoleon hielt Europa damals eisern im Griff. 1804 hatte er sich selbst zum Kaiser gekrönt. Zwei Jahre später schlug er Preußen bei Jena und Auerstedt 1806 und gründete den Rheinbund, ein Militärbündnis, das Frankreich militärische Hilfe leisten sollte. In Spanien kam es kurz darauf zum ersten „Befreiungskrieg“ gegen Napoleons Vorherrschaft.

Kurz darauf, man schrieb das Jahr 1809, zog auch Österreich gegen die Franzosen zu Felde; Österreich wollte seinen Krieg als Befreiungsaktion nach spanischem Vorbild verstanden wissen und hoffte auf die Entstehung einer Volksbewegung, die Napoleon zum Rückzug aus Deutschland zwingen sollte. Hauptkriegsschauplatz war daher zunächst Süddeutschland.

Aus dieser Zeit stammt das „Villinger Burgerlied“, das heute noch oft und gerne an der Fasnet gespielt und gesungen wird: „Auf, auf ihr Burger, stond ins Gwehr! D'Franzosa rucket a, sie kommed scho ganz kreuz und quer vom Sachsäwäldle her ...“

Diese Liedzeile greift nun der streitbare VS-Kabarettist Thomas Moser auf: „Burger stond ins Gwehr – unser Brauchtum ist in Gefahr“, warnt er. „Unsere Stadt ist ab sofort schutzlos. Unsere Bürgerwehr kann nur noch 'Peng' rufen, aber nicht mehr schießen. Selbst Schwenningen hat nun keine Angst mehr vor uns!“

Mit seinem Griff in die Mottenkiste der Geschichte spielt Moser darauf an, dass Villingen und Schwenningen während des 30-jährigen Kriegs auf verschiedenen Seiten standen.

Gefährliche Narros
Wie wird das Bürgeramt künftig beurteilen, was Brauchtumsveranstaltungen sind und was nicht? Wie geht es weiter nach dem Flintenverbot für die Bürgerwehr (siehe Kasten unten)? Das fragt sich der Kabarettist und ätzt: Bald werde Bürgeramtsleiter Glück den Schwenninger Hanseln das Uhrenpendel und den Villinger Narros den Holzsäbel abnehmen. Außerdem könne er den Villinger Narren die Mehlsupp verbieten, damit diese in der Villinger Innenstadt nicht etwa infolge von Blähungen Feinstaubalarm verursachen...

Thomas Moser über das Flintenverbot

Wie geht das weiter? Verbietet unser Herr Glück in Zukunft auch noch den Säbel bei den Narros oder das Uhrenpendel beim Schwenninger Hansel? Oder die Fasnachtwagen generell, weil durch das Wurfmaterial Bürger zu Schaden kommen könnten? Gibt es am Straßenrand nur noch Zuschauer mit Schutzhelmen?

Und wenn wir danach in Wirtschaften gehen, gibt es keine Gläser mehr, weil wir uns beim eventuellen Herunterfallen des Glases daran schneiden könnten. Gibt es in den Gaststätten dank Herr Glück auch keine Messer und Gabeln mehr? – Das sind ja auch Stichwaffen. Dann werden wir wieder mit den Händen essen müssen wie früher. Oder, Herr Glück, verbieten Sie uns auch noch bei Regen Stockschirme, weil auch die als Waffen benutzt werden können?

Als Höhepunkt des Ganzen verbietet das Bürgeramt noch den Narros an der Fasnacht die heilige „Mehlsupp“, weil diese durch Unterdrücken des normalen Stuhlgangs zu Blähungen und zu „Feinstaubalarm“ in der Innenstadt führen könnte.

Ja, liebe Bürger, unser freies und ungezwungenes Leben könnte dank Herrn Glück bald vorbei sein. Und dann sitzen wir alle nur noch zu Hause und warten darauf, dass uns die Decke auf den Kopf fällt.

Oder auf den „Sensenmann“, damit der uns endlich von unserem dann freudlosen Leben erlöst. Und wenn dieser dann vor der Tür steht mit seiner Sense, dann sagen wir zu ihm: „Hallo, du weißt aber schon, dass das eine Stichwaffe ist.“ Dann dreht er sich um und zieht gefrustet von dannen. Und wir müssen weiterleben mit unserem Herrn Glück, mit dem wir doch in der Vergangenheit schon so viel „Glück“ hatten!

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