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Bild: Richard Schöb

Nach Eklat am OB-Wahl-Abend: Villingens Bürgerwehr geht nach Entwaffnung auf die Barrikaden

Südkurier |

Traditions-Uniformträger suchen Minister-Hilfe und: Das große Hoffen auf den neuen VS-Oberbürgermeister

VS-Villingen – Landesweit ist der Fall bei Brauchtumsvereinen das Gesprächsthema Nummer eins. Hans-Joachim Böhm hat so etwas noch nicht erlebt. Der Kommandant der Bürgerwehr ist gleichzeitig der Landeskommandant in Baden und sein Amtskollege für den Bereich Württemberg hat seine Meinung bereits kundgetan über die Verwaltungsentscheidung von Villingen. Die Worte sind aber nicht zitierfähig.

Was war geschehen: Am Abend der OB-Wahl wollte die Bürgerwehr dem neuen Rathaus-Chef traditionell auf dem Münsterplatz die Ehre erweisen. Ganz gleich, wer gewählt wird. Tage vor der Veranstaltung hatte die Gruppe aus Routine im Rathaus angefragt, ob das Führen der Waffen dabei erlaubt sei. Nein, hatte die Verwaltung verfügt. Das Waffengesetz erlaube dies (Paragraf 42,1) grundsätzlich nur bei Traditions- und Brauchtumsveranstaltungen. Charakter der Veranstaltung sei aber eine schlichte Ergebnispräsentation, bekräftigte zu Beginn dieser Woche noch einmal eine Verwaltungssprecherin.

Zuhause bleiben wollte die Bürgerwehr auch nicht. Also traten sie ohne ihre Gewehre an, was rasch auffiel bei den traditionellen Kommandos. Präsentiert das Gewehr – das Ganze ohne die Waffe, die Bürger grinsten sich eins, die Akteure in den Traditionsuniformen fühlten sich dabei „sehr merkwürdig“, wie Karl-Heinz Schwert, Vorsitzender des Vereins, sich jetzt erinnert.

Hans-Joachim Böhm will das alles so nicht stehen lassen: Er kündigte am Donnerstag an, den Villinger Fall an den Innenminister zu kommunizieren: „Wir brauchen hier eine Grundsatzentscheidung von Thomas Strobl.“

Fast überall scheint ein Auftreten von Uniformträgern mit Gewehr kein Problem zu sein. In Zell am Harmersbach, in Sipplingen, in Salem, nennen Böhm und Schwert Beispiele. Teilweise dürfen sogar vor Publikum Salutschüsse in den Himmel abgefeuert werden, betonen sie. Aber Karl-Heinz Schwert sagt auch: „Je größer die Stadtverwaltung, desto härter die Restriktionen.“

Für die verschärften Waffengesetze haben die beiden Vereinsverantwortlichen viel Verständnis nach den Amokläufen der letzten Jahre in Deutschland. Nur: In die Nähe von Kriegstreibern wollen sie sich eben auch nicht schieben lassen. „Wir sind auf Europaebene Scharniere des Friedens“, sagt Hans-Joachim Böhm. Träfe man sich mit Uniformträgern aus Weißrussland, Ungarn, Bulgarien oder auch Estland, „dann entsteht dabei eine sehr menschliche und friedliche Beziehung – und darum geht`s“, betont er.

Mit zweierlei Waffen marschiert die Villinger Bürgerwehr gewöhnlich auf. Mit Vorderladern die Miliz. Die Gewehre werden über den Lauf mit Pulver gestopft, eine Kugel wird nie verschossen. Es entsteht maximal eine Druckwelle beim Abgeben des Schusses. Die Infanterie trägt den Karabiner. Hier werden Platzpatronen geladen. Mitglieder der Truppe erhalten bei Eignung vom Landratsamt einen Sachkundenachweis für den regelkonformen Umgang mit Waffen. Die Gewehre der Bürgerwehr gehören dem Verein und sind sorgsam weggeschlossen. Der Umgang mit dem Schießgerät ist betont sensibel. „Wenn wir unterwegs sind, wird die Waffe nur während des offiziellen Programms getragen. Danach wird sie sofort weggeschlossen“, schildert Böhm. In die Wirtschaft auf ein Bier mit Gewehr? „Den Fall gibt es nicht“, versichert der Kommandant. Betont wird von Schwert wie Böhm: „Die Waffe gehört zur Uniform – alles andere ist ein Witz.“

Mit einem stumpfen Säbel ausgestattet ist die Bürgerwehr außerdem. Die Offiziere tragen einen Degen.

Dennoch sieht man die Bürgerwehr auch ohne Gewehr bei offiziellen Anlässen. Das ist etwa an Fronleichnam der Fall. Hier wird ohne das Gewehr paradiert, „aus Rücksicht dem kirchlichen Anlass gegenüber“, wie Schwert schildert.

Wie gut gemeint der Auftritt des Villinger Vereins auf dem Münsterplatz war, wird klar, wenn man das Zeremoniell begreift. Dieses läuft traditionell genau so ab: Erstes Kommando: Links oder rechts um. Zweites Kommando: Gewehr ab. Drittens: Richt´ euch. Viertens: Das Gewehr über. Fünftens: Achtung: Präsentiert das Gewehr. Sechstens: Die Meldung.

Die tiefere Botschaft des Präsentierens des Gewehrs sei es, „dem Empfänger der Ehrbezeugung – also etwa dem neuen Oberbürgermeister – zu signalisieren: Wir sind für Sie da, stehen Ihnen zur Seite“, erklärt Böhm. Anders ausgedrückt: Die Bürger versammeln sich symbolisch an der Seite des neuen Stadtoberhauptes.

Im November gastiert Villingens Bürgerwehr in der VS-Partnerstadt Pontarlier. Mit Waffen wird dort am Programm teilgenommen. Auch die Stadtmusik sei vor Ort dabei, eine Woche später gastiert Pontarlier in Villingen – das alles zum Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Friedenssignale wie diese sind es auch, was die Uniformträger heute mit antreibt. Und der Stolz auf die eigene Erscheinung. „Ich werde immer wieder fotografiert, auch in Villingen“, sagt Karl-Heinz Schwert. „Den Leuten gefällt das eben.“

Für bessere Zeiten in Villinger Uniform scheint der neue OB zu stehen. Wahlsieger Jürgen Roth habe die Bürgerwehr noch am Sonntagabend gefragt, weshalb sie ihre Gewehre nicht dabei hätten. Und: Es gibt Städte, in denen der Rathaus-Chef oberster Kommandant seiner Bürgerwehr ist. Auch so gesehen gilt: Es wird spannend im Rathaus.

Glück stellt klar: Waffen mitführen ist verboten – außer bei Brauchtumsveranstaltungen

OB Rupert Kubon und Bürgeramtsleiter Ralf Glück wiesen am Mittwoch im Gemeinderat die Vorwürfe von Hans-Joachim Böhm und Karl-Heinz Schwert zurück.

  • Das sagt Kubon: „Schuss-, Hieb- und Stoßwaffen sind nur bei Brauchtumsveranstaltungen möglich“, betonte Kubon mit Blick auf das Waffengesetz. Es sei noch nie vorgekommen, dass die Bürgerwehr mit Schusswaffen bei einer Oberbürgermeister-Verkündung wie am vergangenen Sonntag aufmarschiert sei. Zumindest bei seiner zweimaligen Wahl habe es dies nie gegeben. Zugleich erinnerte er an die Gefahren: Beim letzten Landestreffen der Bürgerwehren in Villingen habe sich versehentlich bei einem Mitglied der Villinger Bürgerwehr ein Schuss gelöst. Dieser Mann sei nun dauerhaft hörgeschädigt. „Ich habe Verständnis für das Bürgeramt, weil hier nach Recht und Gesetz entschieden wurde.“
  • Das sagt Ralf Glück: Schwere Vorwürfe erhob der Amtsleiter gegen die Verantwortlichen der Bürgerwehr: „Es wurde alles gesagt, nur nicht die Wahrheit“, erklärte er. Er rief den Hintergrund des Verbots in Erinnerung: „Das Waffenrecht wurde vom Gesetzgeber in den vergangenen Jahren zunehmend verschärft“, so Glück mit Blick auf verschiedene Amokläufe. In diesem Fall „ist die Gesetzeslage eindeutig“. Das Mitführen von Waffen in der Öffentlichkeit sei streng geregelt. Einzige Ausnahme für Traditionsvereine seien entsprechende Brauchtumsveranstaltungen. Doch eine OB-Verkündigung falle definitiv nicht in diese Kategorie. Glück bestätigte auch, dass das Bürgeramt überlegt habe, den Mitgliedern der Bürgerwehr das Tragen des Säbels zu verbieten. „Wenn ein Kommandant mit dem blanken Säbel über der Schulter durch die Menge läuft und den Umstehenden fast die Augen aussticht, ist das ein Verstoß gegen das Waffengesetz“, sagte Glück. Dass der Verein 50 Euro Gebühren für den Ablehnungsbescheid zahlen muss, habe nicht am Bürgeramt gelegen. Die Bürgerwehr wollte sich nicht mit einer telefonischen Auskunft begnügen, sondern habe auf einem schriftlichen Bescheid bestanden.
  • Das sagt Stadtrat Ummenhofer: Sein Unverständnis äußerte Bertold Ummenhofer über das Verbot. „Es ging ja nur ums Waffen tragen, nicht um das Waffen nutzen“, meinte er. Er empfahl der Stadt, bei den Sicherheitsvorschriften nicht ständig zu übertreiben, sondern mehr auf den gesunden Menschenverstand zu setzen. (est)
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