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Depesche

Bürgerwehr und Trachtengruppe Villingen

12

Ausgabe Nr.3, Jahrgang 2014

D

ie Radhaube, die ein wichti-

ger Bestandteil der Villinger

Tracht ist, entwickelte sich nach

dem Fall der Ständeordnung im

19. Jahrhundert und ge-

hört zu einer vorwiegend

im süddeutschen Raum,

sowie an den Bodensee

grenzende Teile Öster-

reichs und der Schweiz

getragenen Biedermeier-

tracht.

Ihre Entwicklung beginnt

in der Zeit um 1720. Eine

hirnschalenförmige Hau-

be wurde bedingt durch

die modische Kohlkopffri-

sur in den Reichsstätten

wie Ulm und Augsburg

getragen. Sie wies die als

Bockel oder auch Poggel

bezeichneten Ausbuch-

tungen oberhalb des

Ohrs und am Hinterkopf

für die an diesen Stellen getrage-

nen Haarbuckel oder Knoten auf,

daher der Name Bockelhaube.

Sie war mit Metallspitzen aus

echten Gold- und Silberfäden in

Klöppel- oder Hohlspitzentech-

nik belegt. Im Nacken zierte den

Haubenrand oft eine Schleife.

Zum Schutz diente eine weiße

Unterhaube aus Baumwolle mit

Spitzenstoß.

Um 1780 entwickelte sich durch

modische Einflüsse aus der

einteiligen Bockelhaube die

zweiteilige Bodenhaube. Boden

und Steg sind jetzt getrennt und

werden für die Fertigstellung der

Haube zusammengesetzt. Als

Boden wird die hufeisenförmige,

leicht gewölbte und sich damit

der Kopfform anpassende Rück-

seite der Haube bezeichnet. Der

Spitzenstoß, der von der aus der

Mode gekommenen Unterhau-

be übrig blieb, wird am vorderen

Rand des breiten Steges, der den

Kopf von Ohr zu Ohr umschließt,

angebracht. Als Innenaufbau

dient ein mit Draht stabilisierter

starker Karton, der - je nach Aus-

führung - an der äußeren Seite

auf einem mit Metallfäden durch-

wirkten Stoff

eine Metallspit-

ze in Gold oder

Silber aufweist.

Am unteren Teil

ist der mit einer

reichen Stickerei

verzierte Hau-

benboden mit

einer Schleife

versehen, die

durch unter-

schiedliche

Garnierung und

Farbe Herkunft

und Stand der

Trägerin kenn-

zeichnet.

Um 1790 entwickelt sich aus der

Boden- die Becherhaube. Wie

bei der Bodenhaube bleibt die

Zweiteilung bei der Becherhaube

erhalten. Lediglich am

Rand von Boden und

Steg wird aus Metall eine

Ringform eingearbeitet,

die wiederum wie der

Steg mit einer Metall-

spitze belegt ist. Dies ist

der Beginn der späteren

Radhaube. Der mit Gold

und Flitter (kleine Pail-

letten und Folien) reich

bestickte Boden ist flach

bis leicht gewölbt und

bildet zusammen mit

dem Steg die Form eines

Trinkbechers, daher der

Name "Becherhaube".

Den Spitzenstoß am

Steg bildet eine schma-

le Valencienner Spitze

- einer zu der Zeit sehr

gebräuchlichen Klöppelspitze.

Abgerundet wird das Gesamtbild

der Becherhaube wiederum durch

die am unteren Haubenboden

angebrachte Schleife in unter-

Die Villinger Radhaube in ihrer

geschichtlichen Entwicklung

Von Jutta Grothaus

Museum Kürnbach

Museum Kürnbach