Depesche
Bürgerwehr und Trachtengruppe Villingen
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Ausgabe Nr.3, Jahrgang 2014
D
ie Radhaube, die ein wichti-
ger Bestandteil der Villinger
Tracht ist, entwickelte sich nach
dem Fall der Ständeordnung im
19. Jahrhundert und ge-
hört zu einer vorwiegend
im süddeutschen Raum,
sowie an den Bodensee
grenzende Teile Öster-
reichs und der Schweiz
getragenen Biedermeier-
tracht.
Ihre Entwicklung beginnt
in der Zeit um 1720. Eine
hirnschalenförmige Hau-
be wurde bedingt durch
die modische Kohlkopffri-
sur in den Reichsstätten
wie Ulm und Augsburg
getragen. Sie wies die als
Bockel oder auch Poggel
bezeichneten Ausbuch-
tungen oberhalb des
Ohrs und am Hinterkopf
für die an diesen Stellen getrage-
nen Haarbuckel oder Knoten auf,
daher der Name Bockelhaube.
Sie war mit Metallspitzen aus
echten Gold- und Silberfäden in
Klöppel- oder Hohlspitzentech-
nik belegt. Im Nacken zierte den
Haubenrand oft eine Schleife.
Zum Schutz diente eine weiße
Unterhaube aus Baumwolle mit
Spitzenstoß.
Um 1780 entwickelte sich durch
modische Einflüsse aus der
einteiligen Bockelhaube die
zweiteilige Bodenhaube. Boden
und Steg sind jetzt getrennt und
werden für die Fertigstellung der
Haube zusammengesetzt. Als
Boden wird die hufeisenförmige,
leicht gewölbte und sich damit
der Kopfform anpassende Rück-
seite der Haube bezeichnet. Der
Spitzenstoß, der von der aus der
Mode gekommenen Unterhau-
be übrig blieb, wird am vorderen
Rand des breiten Steges, der den
Kopf von Ohr zu Ohr umschließt,
angebracht. Als Innenaufbau
dient ein mit Draht stabilisierter
starker Karton, der - je nach Aus-
führung - an der äußeren Seite
auf einem mit Metallfäden durch-
wirkten Stoff
eine Metallspit-
ze in Gold oder
Silber aufweist.
Am unteren Teil
ist der mit einer
reichen Stickerei
verzierte Hau-
benboden mit
einer Schleife
versehen, die
durch unter-
schiedliche
Garnierung und
Farbe Herkunft
und Stand der
Trägerin kenn-
zeichnet.
Um 1790 entwickelt sich aus der
Boden- die Becherhaube. Wie
bei der Bodenhaube bleibt die
Zweiteilung bei der Becherhaube
erhalten. Lediglich am
Rand von Boden und
Steg wird aus Metall eine
Ringform eingearbeitet,
die wiederum wie der
Steg mit einer Metall-
spitze belegt ist. Dies ist
der Beginn der späteren
Radhaube. Der mit Gold
und Flitter (kleine Pail-
letten und Folien) reich
bestickte Boden ist flach
bis leicht gewölbt und
bildet zusammen mit
dem Steg die Form eines
Trinkbechers, daher der
Name "Becherhaube".
Den Spitzenstoß am
Steg bildet eine schma-
le Valencienner Spitze
- einer zu der Zeit sehr
gebräuchlichen Klöppelspitze.
Abgerundet wird das Gesamtbild
der Becherhaube wiederum durch
die am unteren Haubenboden
angebrachte Schleife in unter-
Die Villinger Radhaube in ihrer
geschichtlichen Entwicklung
Von Jutta Grothaus
Museum Kürnbach
Museum Kürnbach